A.) Haushaltskonsolidierung ODER warum sich Widerstand lohnt

Vorwort: Dieser Artikel soll all jenen Mut geben, die desillussioniert meinen 'die da oben tun eh was sie wollen - ändern kann ich eh nix'.


Tatort Rüsselsheim, April 2002. Wie viele Städte und Gemeinden klagt auch Rüsselsheim über leere Kassen. Der Magistrat legt ein Papier mit dem schönen Titel ‚Zukunftssicherung' vor. So sollen zwei Grundschulen, eine KITA und der gesamte Hortbereich geschlossen werden. All dies ohne vorherige Gespräche mit Betroffenen (z.B. Elternvertretungen). Spontanes Demonstrieren von Verdi, Elternvertretern, aber auch einer parlamentarischen Opposition zwang den Magistrat dazu, die Abstimmung um einen Monat zu verschieben - Erfolg 1.
Dann endlich begannen Gespräche. Deutlich wurde wie mangelhaft diese Vorlage war. Das künftige Betreuungsschulangebot (als Hortersatz) wurde ohne räumliches und personelles Konzept präsentiert. Starre Haltung der Koalition aus SPD, GRÜNEN und einer mittlerweile mehr als angepassten Liste Rüssel, kennzeichnete die Auseinandersetzung. Die Opposition aus CDU, FDP, der Linksgruppierung LISTE SOLIDARITÄT (auf deren Liste sich auch mehrere PDS-Mitglieder befinden) wollte mit einer solch schlampigen Vorlage nicht leben. Einsparvorschläge (wie Verzicht einer seit Jahren praktizierten doppelten Haushaltsführung) oder eine Reduzierung des hauptamtlichen Magistrates um eine Person wurden vehement verworfen; O-Ton SPD: "...dann wären die Magistratsmitglieder, die für die Umsetzung sorgen sollen demotiviert und könnten nicht mehr richtig arbeiten." GRÜNE: "Wir brauchen den Magistrat in dieser Stärke um Bürgernähe praktizieren zu können." Widerstand wuchs. Neben schon Erwähnten taten Hunderte Ihren Unmut auf Versammlungen, auf Demos (z.B. Kinderkette) kund. Ergebnis: Die Grundschule (für Lernbehinderte) bleibt unangetastet. - Nächster Erfolg!!!
Die entscheidende Stadtverordnetenversammlung: Offener Schlagabtausch zwischen einer (teils mit Urlaubsprospekten und Computerspielen) beschäftigten (dies zur Bürgernähe) Koalition und einer Opposition, die (auch dies selten) immer wieder von zahlreichen Zuschauern Applaus erhielt. Dann sogar ein Blumenstrauß für den Solidaritätsabgeordneten Bernd Heyl, der brillant die Situation auf den Punkt brachte: "Bei Bildung darf nicht gespart werden, denn hier liegt die Basis der Zukunft für Kinder und Jugendliche" Immerhin: Ein (wohl fauler) Koalitionskompromiß: Zunächst soll die Grundschule nur für die Zeit der Renovierung einer Schule für Behinderte ausgelagert werden. Definitiv solle erst nach Erfahrungen in der neuen Schule und Vorlage des neuen Schulentwicklungsplanes entschieden werden. Nachtigal ich hör Dir trapsen. Viele (wie auch ich) sind der Meinung das es hier nach vollendeten Tatsachen kein zurück mehr für die Schülerinnen und Schüler geben wird und die Grundschule plattgemacht, sprich das Grundstück veräußert werden wird. Die Abstimmung: Rot/Grün/Rüssel setzen sich mit 26 zu 18 Stimmen durch: - Aber: Der Widerstand gegen Sozialabbau wird immer stärker.
Erstmalig gibt es in einer hessischen Kommune 3 Bürgerbegehren paralell:
1. für Erhaltung der Horte und gegen Schließung einer KITA
2. die Personalbemessung im KITA-Bereich darf nicht, wie beschlossen, AUSSCHLIEßLICH dem Magistrat obliegen.
3. Die Auslagerung Eichgrundschule wird zumindest nicht vor Beschlußfassung des Schulentwicklungsplanes durchgeführt.
Am 25.07.02 wurden in dieser Sache an den Dezernenten insgesamt über 17.000 Unterschriften überreicht, d.h. die Hürde der notwendigen Unterschriften von 4101 pro Begehren wurde locker überschritten. Im August nun wurde von Magistrat und BI-Sprechern ein Vergleich unterzeichnet der in Gänze die Forderungen der Bürgerbegehren erfüllt. Erfolg von Engagement und Widerstand. Weiter so.

B.)Sparen um jeden Preis ? ODER Warum sind viele Städte pleite ?

Wie für Privatleute gilt auch für Kommunen: Sorgsamer Umgang mit Geld ist Zeichen verantwortungsvoller Politik. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen ist eine klare Prioritätensetzung vonnöten. Konsolidieren darf nicht blindes Sparen bedeuten und zu Bildungs- und Sozialabbau führen. Sicher kennt jeder Beispiele für `rausgeschmissenes Geld' - aber ist das des Pudels Kern ? Das Finanzdefizit der Kommunen war zum Jahresende 2001 3x höher als noch ein Jahr zuvor. Kommunen können im Schnitt 40% weniger als noch 1998 investieren. Die rot-grüne Steuerreform hat Banken- und Großkonzerne entlastet, Kommunen und dem ‚Ottonormalverbraucher' Schulden gebracht. Waren zuvor Faktoren der Gewerbesteuer Kapital und Ertrag, so ist seit 1998 nur noch der Ertrag zu versteuern. Auch führt der jetzt mögliche Verlustausgleich zwischen In- und Ausland (Opel-GM/BMW-Rover) zu Steuerausfällen in Millardenhöhe. Die Bruttoeinnahmen der Gewerbesteuer verminderten sich 2001 gegenüber 2000 um 12%. Von diesen Einnahmen muß ein steigender Anteil an Bund und Land nach der Formel Einnahme/Hebesatz x Vervielfältiger abgeführt werden, Dieser Verfielfältiger lag 1990 noch bei 52, im Jahre 2000 bereits bei 83 und soll bis 2004 auf 119 erhöht werden. Ergebnis: Einnahmerückgang von 2000 -> 2001 um 12%. Die Vermögenssteuer wurde 1996 abgeschafft (Einnahmen der Bundesländer damals: 9 Millarden DM). Der Senkung der Körperschaftssteuer (mit der Möglichkeit auf Rückforderung vorausgezahlter Gelder), deren Einnahme zu 50% auf den Bund und die Länder aufgeteilt wurde, brachte einen Einnahmerückgang von 24 Mrd. Euro 2000 auf "0" im Jahre 2001. Für die Kommunen hat das zur Folge, dass die Länder die Mittel im kommunalen Finanzausgleich kürzen. Was ist zu tun ? Die Gewerbesteuer muß reformiert werden, die Einnahmen sollten in den Kommunen verbleiben. Der Anteil der Gemeinden an der Lohn/ Einkommensteuer sollte schrittweise von 15% auf 20 % erhöht werden. Steuern sollten auf Börsen- und Spekulationsgewinne erhoben werden. Das Konexitätsprinzip (Übertragung von Aufgaben von Bund und Ländern auf Kommunen nur mit finanziellen Ausgleich) ist ein weiterer Punkt der im Rahmen einer dringend notwendigen Reform der Kommunalfinanzierung nach Meinung der PDS zu beachten wären.
Mike LADWIG -02/11-